Bildschirme üben auf Kinder eine magische Anziehungskraft aus. Schon im Kleinkindalter sitzen sie stundenlang vor Tablets und Handys. Mit schwerwiegenden Folgen für ihre gesundheitliche Entwicklung, wie eine Studie am Leipziger Uniklinikum zeigt.
Seit acht Jahren untersuchen die Forscher des Leipziger Universitätsklinikums schon die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen. Bei einem Symposium zur Kindergesundheitsforschung in Leipzig haben sie Anfang März nach den Folgen der intensiven Nutzung gefragt: Wie beeinflussen die Zeit, die unsere Kinder mit neuen Medien und vor diversen Bildschirmen verbringen, deren Gesundheit? Hat die Nutzung von Smartphones und Co. Einfluss auf deren Entwicklung, und wenn ja, welchen?
Um diese Fragen zu beantworten, untersucht die Leipziger LIFE Child Studie das Verhalten von fast 5000 Kindern und Jugendlichen. Und die Erkenntnisse der Forscher sind alarmierend: „Wenn Kinder schon sehr früh mit Smartphones, Tablets oder anderen Bildschirmen für mehrere Stunden allein gelassen werden, zeigen sich später Lernschwierigkeiten und vor allem schlechtere Ergebnisse in Mathematik“, so Prof. Wieland Kiess, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Leipzig. Entscheidend sei dabei das Vorbild der Eltern – ist die Mutter viel am Smartphone, ist auch die Mediennutzungszeit der Kinder erhöht. „Dabei sehen wir in den vergangenen Jahren einen beachtlichen Anstieg sowohl der Medienzeit als auch der Geräteanzahl“, so der Leipziger Kinderarzt. So hätten bereits 25 Prozent der Achtjährigen ein Smartphone, bei den 14-jährigen sind es gar 100 Prozent. Die Jugendlichen kommen auf fünf Stunden Bildschirmzeit pro Tag und sind nur 30 Minuten offline.
Die intensive Mediennutzung hat nachweislich Folgen – die Kinder schlafen später ein, schlechter durch und sind unausgeschlafener. Das wiederum beeinflusst Gehirn und Körper, von der Aufmerksamkeitsspanne bis hin zur Entwicklung von Übergewicht.
Die Forscher räumen ein, dass es nicht darum gehen kann, die Entwicklungen in einer sich wandelnden Umwelt umkehren zu wollen. Dennoch ist es wichtig, einen guten Umgang damit zu finden, um die Gesundheit der Kinder erhalten zu können.
Blicken wir in die USA, so ist dort bildschirmfrei der neue Trend. Ausgerechnet die Mitarbeiter großer High-Tech-Konzerne wie Google, Apple und Yahoo schicken ihre Kinder in Schulen ohne Bildschirme. Bill Gates Töchter bekamen erst mit 14 ein Handy und Steve Jobs verbot seinen Kindern sogar, das neue iPad zu nutzen. Das ist eine Entwicklung, die der Politikwissenschaftler Andre Wilkens schon 2015 in seinem Buch „Analog ist das neue Bio“ beschrieb. Danach bildet sich gerade eine „Digitale Schere“ heraus zwischen denen, die es sich leisten können, nicht immer digital zu sein und den anderen.
In Deutschland dagegen wird gerade die digitale Bildungsrevolution ausgerufen. Tablets und Co sollen Einzug ins Klassenzimmer halten – und alle jubeln. Vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Ergebnisse der Leipziger Studie muss man den vermeintlichen Fortschritt allerdings deutlich in Frage stellen. Die Gesundheit der Kinder leidet aufgrund vielfach veränderter Umweltbedingungen sowieso schon immer mehr. Dürfen wir ihnen da auch noch in der Schule stundenlanges Sitzen vor dem Laptop zumuten? Ich denke nicht. Eltern, Lehrer und Politiker sollten ihre Begeisterung für die Digitalisierung der Schulen noch einmal überprüfen.