Der Frühjahrsspaziergang führt uns derzeit an vielen leckeren Wildkräutern vorbei. Die frischen Triebe von Brennnessel, Sauerampfer, Bärlauch, Giersch und Co verleihen uns neue Kräfte, stärken das Immunsystem und regen den Stoffwechsel an. Wer diese geballte grüne Wildkraft für die Küche nutzen möchte, kann jetzt eine Neunkräutersuppe zubereiten. Wie der Name bereits verrät, besteht sie aus neun Kräutlein. Traditionell wird sie am Gründonnerstag als Fastenspeise serviert. Doch von Fasten kann hier keine Rede sein, wie ich finde, denn die Neunkräutersuppe hat kulinarisch einiges zu bieten. Gemeinsam mit der Leipziger Kräuterfrau Sylke Maltitz habe ich die nötigen Zutaten besorgt. Lass Dich inspirieren!
Dies ist ein Audio-Beitrag, der am 14.04.2022 bei MDR Kultur Das Radio gesendet wurde. Aus rechtlichen Gründen veröffentliche ich hier nicht das Audio, sondern nur das Manuskript.
Schon unsere Vorfahren wussten die Kraft der ersten Frühlingskräuter wie Giersch oder Bärlauch zu schätzen. Nach der langen Winterzeit freute man sich über das frische Grün, das eine Wohltat war für Körper und Geist. Die Neunkräutersuppe ist eines der ältesten Gerichte, mit dem die Menschen den Winter aus ihren Knochen vertrieben haben. Die Zahl Neun spielt dabei eine besondere Rolle, erzählt die Kräuterkundige Sylke Maltitz auf unserem Spaziergang am Rand eines Waldes.
O-Ton: „Die Neun ist bei unseren Vorfahren, bei den Germanen und den Kelten, eine heilige Zahl gewesen. Drei Mal drei ist neune. Also es geht immer um die heilige Zahl drei. Wir haben da heute noch Beispiele dafür in der Kirche: die heilige Dreifaltigkeit. Auch in der Naturspiritualität sind es ganz oft drei Frauen oder drei Nornen, die den Schicksalsfaden spinnen. Also es hat auch irgendetwas Magisches und es hat eine Anbindung an ganz alte, traditionelle Spiritualität in der Natur.“
Ostern ist die Zeit des Neubeginns, in dem sich der Jahreskreis wieder neu zu drehen beginnt. Die Natur erwacht ebenso wie Mensch und Tier zu neuem Leben. An Gründonnerstag saßen Jesus und seine Jünger beim Letzten Abendmahl zusammen – für die Christen ein Fastentag, an dem man traditionell die Neunkräutersuppe isst. Ihre grüne Farbe steht für die Erneuerung. Auch die Heilige Hildegard von Bingen hat uns ein Rezept für die Gründonnerstagssuppe hinterlassen. Welche neun Kräuter man für die Suppe verwendet, ist aber letztlich jedem selbst überlassen, ganz nach dem persönlichen Geschmack.
O-Ton: „Die Klassiker, also die Brennnessel, den Giersch, den Bärlauch, das Scharbockskraut, Schafgarbenblätter findet man jetzt auch schon. Blätter vom Klettenlabkraut oder vom Wiesenlabkraut. Pimpinelle kann noch mit rein, Petersilie kann noch mit rein. Also alles, was man im Garten findet. Es müssen nicht nur Wildkräuter sein. Ich bin immer dafür, sich nicht stoisch an irgendwelche Regeln zu halten, sondern immer selbst auch ein bisschen kreativ zu werden und zu schauen, was ist denn gerade alles da?“
Meistens findet sich auf den Wiesen auch schon der Sauerampfer, eine weitere traditionelle Zutat der Neunkräutersuppe. Wer Saures liebt, wird seine Freude dran haben. Doch das ist nicht jedermanns Sache, wovon der Name „Sauerlumpe“ zeugt. In jedem Falle sorgt die Vielfalt der neun Kräuter dafür, dass die Abwehrkräfte gestärkt werden.
O-Ton: „Leber und Galle werden in Gang gebracht durch bestimmte Enzyme. U.a. auch durch Bitterstoffe, durch Scharfstoffe. Und neben Entgiftung und neben der Ankurbelung des Stoffwechsels kommt auch Lebensenergie in den Menschen. Die Kräuter wirken im Einzelnen u.a. auch Blutreinigend, Bluterneuernd. Also es hat ganz viel mit neu machen zu tun, mit Altem loslassen und mit Neubeginn.“
Zurück von unserer Kräuterwanderung machen wir uns daran, die feinen Zutaten von Mutter Natur vorzubereiten für die Suppe.
O-Ton: „Ich nehme gerne eine schöne Zwiebel, gerne auch eine Frühlingszwiebel, wenn man die im Garten findet. Einen ganz frischen Knoblauch, der wird kurz angeschwitzt nach Belieben in Butter oder Öl. Dann gebe ich Gemüsebrühe dazu, meistens meine selbstgemachte, also eingesalzenes Suppenpulver oder aber gekörnte Brühe. Lasse das Ganze ein paar Minütchen kochen. Reibe eine Kartoffel in die Suppe, damit sie ein bisschen sämiger wird.“
Während die Suppe köchelt, werden die gesammelten Kräuter gehackt.
O-Ton: „Dann ziehe ich den Topf vom Herd oder schalte ab und gebe die Kräuter dazu. Die ziehen dann eigentlich nur noch in der Suppe. Und dann könnte es theoretisch schon los gehen. Wer mag kann noch mit Pfeffer und Salz abschmecken oder noch ein bisschen Muskatabrieb dazu geben, da bin ich ein ganz großer Fan davon. Und ein Schuss Sahne macht das Ganze natürlich noch viel leckerer aus meiner Sicht. Und dann kann das Süppchen noch püriert werden. Deluxe!“
Wer mag, verziert die herrlich grüne und frische Gründonnerstagssuppe noch mit einigen Gänseblümchen. Von „Fastenspeise“ kann da doch eigentlich keine Rede mehr sein!
Kontakt:
Sylke Maltitz in Leipzig