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Ernährung

Eine kulinarische Reise in die Ukraine

von 1. März 2023März 5th, 2023Keine Kommentare

Neulich bekam ich ein Stück Ukrainische Napoleon-Torte serviert – eine Ukrainische Familie hatte sie aus Dankbarkeit für eine Freundin gebacken. Ich muss sagen: so etwas Leckeres habe ich noch nie gegessen! Und es ist wahrlich nicht bei einem Stück geblieben… Später war ich sehr glücklich, als ich das Rezept der Torte in einem Kochbuch von Olia Hercules wieder entdeckt habe. Und weil man ein Land nicht nur über seine wechselvolle Geschichte näher kennen lernen kann, über seine Schriftsteller oder seine Musik, sondern auch über seine Kochkunst, möchte ich hier zwei Kochbücher vorstellen. Sie zeigen eine unglaublich vielfältige und sehr gesunde Küche. Denn die Ukrainer verarbeiten viel frisches Gemüse. Das Nationalgericht Borschtsch besteht zu großen Teilen aus Roter Beete, die mit vielen sekundären Pflanzenstoffen punktet. Lass uns gemeinsam auf eine magische kulturelle Reise gehen. Ich habe sie für MDR Kultur geschrieben.

 

Ukrainische Sommer können sehr lang und sehr heiß sein. Und so gab es neben dem Haupthaus stets eine Sommerküche, eine Hütte aus Holz oder Lehm mit einem pitsch, einem großen gemauerten Ofen darin. Hier fand das eigentliche Familienleben statt. Hier wurde täglich gekocht und gegessen, hier pflegten die Urkainer ihre Liebe zum Einkochen und Fermentieren. In ihrem Buch „Landküche“ zieht uns die Autorin Olia Hercules mitten hinein in diese Welt ihrer Kindheit, wo ihr Großvater die Sommerküche rund um einen mächtigen Kirschbaum gebaut hat.

Zitat: „Auf meinen Reisen durch die Ukraine habe ich andere Familien mit ebenso skurrilen Sommerküchen kennen gelernt, die ähnliche Entstehungsgeschichten hatten. Der Grund dafür liegt darin, so mein Eindruck, in Harmonie mit Mutter Natur leben zu wollen, aus Respekt und Dankbarkeit für das, was sie uns schenkt. Sommerküchen schaffen eine innige, fast spirituelle Verbindung zu allem, was ringsum wächst und gedeiht.“

Ausgehend von diesem besonderen Ort führt Olia Herules mit Anekdoten und Geschichten durch ihre Heimat. Sie zeigt dabei vor allem die deftige Küche, für die die Ukraine bekannt ist. Besonders im Spätsommer wurde die Sommerküche zum Schauplatz wilder Einkoch-Orgien, denn 50 kg Tomatenernte wollte verarbeitet sein. Diesem eingelegten Gemüse ist der erste Teil des Buches „Landküche“ gewidmet, von Zucchini über Pilze bis hin zu Sauerkraut, aromatisiert mit Dillblüten, Minze oder Liebstöckel. In diesem Buch darf man das Fermentieren oder Backen mit Sauerteig nicht nur als Trend, sondern als gelebten Alltag erfahren. Stimmungsvolle Bilder führen tief in ein ursprüngliches und wildes Land. Auf dieser Zeitreise begegnen uns natürlich auch die beliebtesten Gerichte der Ukrainer, wie Borschtsch oder Warenyky –  leckere Teigtaschen mit überwiegend fleischlosen Füllungen:

Zitat: „Sehr häufig werden warenyky mit einer Kartoffelmasse gefüllt, wodurch sie polnischen pierogi sehr ähnlich sind. Man serviert sie traditionell mit reichlich gebratenen Speckstreifen und viel saurer Sahne. In der Westukraine wird noch Frischkäse unter die Kartoffeln gemischt, in der Zentralukraine werden dagegen gekochte Kartoffeln mit Bohnen püriert“.

Olia Hercules zeigt uns ihre Landesküche als eine der spannendsten Esskulturen Europas. Denn dieses Land war stets den verschiedensten ethnischen, religiösen und kulturellen Einflüssen ausgesetzt.

Zitat: „So kann man heute in Transkarpatien ungarische, slovakische und polnische Gerichte finden, die ganz selbstverständlich neben ukrainischen borschtsch und warenyky serviert werden. Diese vielseitigen Einflüsse zeigen sich in jeder ukrainischen Familie, wie es eine Freundin aus Transkarpatien auf den Punkt brachte: Meine Großmutter wurde in der Tschechoslowakei geboren, hat in Ungarn geheiratet und ist in der Sowjet-Ukraine gestorben, ohne jemals ihr Dorf zu verlassen.“

Ukrajina bedeutet Grenzland, von daher ist die heimische Küche mit den Nachbarn Polen, Belarus, Russland, Rumänien, Moldau und Türkei äußerst abwechslungsreich. „Fisch nach Odessa Art, Tatarische Nudeln mit Knoblauch-Joghurt und Wallnüssen, polnischer Käsekuchen mit karamellisierten Äpfeln – für Olia Herkules ist der Geschmack der Ukraine eine faszinierende Mischung aus all diesen Einflüssen.

Auch Ievgen Klopotenko begreift die Küche als ein Zeugnis der wechselvollen ukrainischen Geschichte. In seinem Fokus steht allerdings weniger der dadurch entstandene Reichtum, als die Unterdrückung der ukrainischen Kultur durch seine Eroberer.

Kurzer Ausschnitt Youtube Video

Der junge ukrainische Starkoch zieht durch TV-Shows und Youtube-Kanäle, um für den fermentierten Kwas oder für Borschtsch zu werben, der doch eigentlich „durch die Adern der Ukrainer fließt“, so der Autor. Um sich selbst in der kulinarischen DNA seines Heimatlandes wieder zu finden, hat er die Ukraine durchquert.

Zitat: „Ich habe Gänse-Borschtsch mit Pflaumen gekostet,…in Poltawa habe ich schwarzen Borschtsch mit geräucherten Birnen…gekostet….Hoch in den Bergen traf ich auf Yanko, der mich mit Borschtsch mit Pilzen und Wildkräutern verwöhnte.“

Beiden Autoren gelingt es, über die Geschichten, die Farben und Aromen der ukrainischen Küche eine emotionale Verbindung zu diesem Land herzustellen, das neben den Traditionsgerichten noch so viel Unbekanntes zu bieten hat.

 

Buchtipps:

Olia Hercules: Landküche. Traditionelle Rezepte und Geschichten aus der Ukraine.

DK (Dorling Kindersley) Verlag; 29,95 Euro

 

Ievgen Klopotenko: Ukrajina. Eine kulinarische Liebeserklärung an die Ukraine.

Christian Verlag; 24,99 Euro

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